Der Wald der Zukunft: Nachbericht zum Forum Waldkontroversen 2024
Organisatorin Leonie Gass (EASI Lab, Universität Bayreuth) auf der Bühne mit Redner Dr. Muhidin Seho
Bayreuth, 27. November 2024
„Es ist unsere aktuelle Herausforderung, Wälder zu erhalten beziehungsweise umzubauen, die dem zukünftigen Klima standhalten und die Vielfalt der geforderten Waldfunktionen gewährleisten.“ So lautete der Leitgedanke des Forums Waldkontroversen 2024, das am 22. November am Campus der Universität Bayreuth stattfand. Über 120 Interessierte aus Forstwirtschaft, Ökologie, Umweltschutz und Forschung versammelten sich im Tagungszentrum des Studierendenwerks Oberfranken, um gemeinsam über das Thema „Klimawandel: Neue Bäume braucht der Wald?“ zu diskutieren.
Organisiert wurde die Veranstaltung von der Campus-Akademie für Weiterbildung, dem Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung, dem Ökologisch-Botanischen Garten der Universität Bayreuth und dem Forum Zukunftswald e.V. Wie jedes Jahr war das Forum Waldkontroversen geprägt durch reichlich Raum für Austausch sowie unterschiedliche Perspektiven auf den Wald und seine Herausforderungen. Im Zentrum der diesjährigen Debatte stand die Frage, ob ein Waldumbau notwendig ist – ob also neue Herkünfte heimischer Baumarten oder gar nicht-heimische Baumarten helfen können, die Zukunft des Waldes zu sichern – oder ob der Wald sich von selbst erholen kann.
Zeitliche Veränderungen im Raum abbilden
Gleich zu Beginn seines Vortrags betonte Dr. Christian Kölling die Dringlichkeit der Debatte. „Wir befinden uns in einer Waldkrise“, so der promovierte Forstwissenschaftler, der sich seit über zwanzig Jahren mit dem Thema „Wälder im Klimawandel“ auseinandersetzt. So habe sich etwa die Kiefer 650 Jahre lang in Mittelfranken wohlgefühlt und sich zur dominanten Baumart der Region entwickelt, sei nun aber durch immer extremere Hitze und Dürre von großflächigem Absterben bedroht. In Oberfranken sei die Fichte einem ähnlichen Schicksal ausgesetzt. Kölling argumentierte, die Klimaveränderungen wären jedoch weitgehend vorhersehbar, wobei hier nicht nur die zeitliche, sondern auch die räumliche Ebene zentral sei.
Beim Forum Waldkontroversen ist Publikumspartizipation ein fester Bestandteil des Programms
Anhand von Zwillingsregionen, also Regionen, in denen heute das Klima herrscht, das für die heimische Region in den kommenden Jahrzehnten zu erwarten ist, ließe sich schon heute ablesen, welche Baumarten für die zukünftigen Klimabedingungen geeignet sind. Mit den Worten „Wenn sich das Klima bewegt, kann der Wald nicht stillstehen“ plädierte Kölling für das Konzept der „Assisted Migration“, der unterstützten Wanderung von nicht-heimischen Baumarten in klimatisch geeignete Gebiete, um den Wald widerstandsfähiger zu machen und die Waldfunktionen zu erhalten.
„Das Saatgut ist die erste und wichtige Entscheidung – auf die Herkunft kommt es an.“
Auch Dr. Muhidin Seho, Sachgebietsleiter des Bayerischen Amts für Waldgenetik, sprach sich für einen Waldumbau aus, jedoch unter Berücksichtigung bestimmter Richtlinien. Ein erfolgreicher Waldumbau beginne laut Seho bei hochwertigem und herkunftsgesichertem Saatgut. Wie stark sich Baumarten verschiedener Herkünfte unterscheiden können, machte er anhand des Beispiels von Rotbuchen aus verschiedenen Ländern deutlich, die jeweils unter anderen Klimabedingungen gedeihen und Unterschiede in Wachstum und Qualität aufweisen. Neben alternativen Herkünften sei auch die Stärkung seltener heimischer Baumarten, die sich besser an die Klimaveränderungen anpassen können, ein wichtiges Anliegen. Baumarten wie der Feldahorn, der auch mit trockenen Standorten zurechtkommt, müssten „von der Ersatzbank zum Stammspieler“ entwickelt werden. Auch nicht-heimische Baumarten müssten eingesetzt werden, wobei Struktur und Dokumentation essenziell seien, um die Anbaueignung zu bewerten.
Fragestellungen vor einer großflächigen Integration exotischer Baumarten
Dass der Waldumbau nicht nur Folgen für die Forstwirtschaft, sondern für das gesamte Waldökosystem hat, wurde von Prof. Dr. Elisabeth Obermaier und Prof. Dr. Johanna Pausch beleuchtet. Professorin Obermaier forscht am Ökologisch-Botanischen Garten der Universität Bayreuth zu Insekten-Pflanzen-Interaktionen. In ihrem Vortrag wies sie darauf hin, dass Insekten nicht nur einen erheblichen Bestandteil der Artenvielfalt auf unserem Planeten darstellen, sondern als Nahrungsgrundlage und Bestäuber zentrale Ökosystemfunktionen erfüllen. Die Ergebnisse ihres „Common Garden Experiment“, bei dem eine Vielzahl verschiedener Arten von vier Baumgattungen untersucht und mit einer heimischen Referenzart abgeglichen wurden, zeigen, dass die Insektendiversität stärker abnimmt, je entfernter verwandt die exotischen Baumarten von der heimischen Baumart sind. Um die Artenvielfalt zu erhalten, sei phylogenetische Nähe bei der Auswahl nicht-heimischer Arten wichtiger als geographische Distanz.
Professorin Pausch demonstrierte, wie die Interaktionen zwischen Bäumen und Pilzen den Kohlenstoffkreislauf im Waldboden beeinflussen. Die Mykorrhiza, die Symbiose zwischen Pilz und Pflanze, sei die älteste bekannte Symbiose auf unserem Planeten. Das Pilznetzwerk im Boden speichere gigantische Mengen an Kohlenstoff, wobei zwischen zwei Arten von Mykorrhiza differenziert werden müsse – der Ektomykorrhiza und der arbuskulären Mykorrhiza, die sich in ihrer Funktionsweise, ihrem Einfluss auf den Kohlenstoffgehalt im Boden, aber auch den Baumarten, die als Symbionten fungieren können, unterscheiden. Die Art der Mykorrhiza-Symbiose müsse deshalb bei der Auswahl von Baumarten berücksichtigt werden.
Im Anschluss an Ihre Vorträge stellten sich die Expertinnen und Experten den Fragen des Publikums
Nicht-heimische Baumarten – Hoffnung oder Gefahr?
Ganz im Sinne der Rahmenveranstaltung veranschaulichte Prof. Dr. Andreas Bolte, Leiter des Thünen-Instituts für Waldökosysteme in Eberswalde, die Debatte um nicht-heimische Baumarten anhand einer aktuellen Kontroverse: die Wahl der Amerikanischen Roteiche zum Baum des Jahres 2025. Diese sei zwar ein Neophyt, also eine Art, die seit dem späten 15. Jahrhundert außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsraums wächst, jedoch sei ihre Invasivität ein Streitpunkt. Etwa müssten Faktoren wie die Ausbreitungsbiologie und die Steuerungsmöglichkeiten in die Diskussion über Neophyten einbezogen werden. Vor dem Hintergrund, dass die Absterberate von heimischen Baumarten wie der Fichte auf einem Rekordhoch sei und ihre Klimaschutzleistung durch den Klimawandel abnehme, müssten zwangsläufig neue „einwachsende“ Baumarten durch Assisted Migration einbezogen werden, um diese Lücke zu schließen.
Den Abschluss der Vortragsreihe machte Jana Ballenthien, Waldreferentin für Robin Wood – Gewaltfreie Aktionsgemeinschaft für Natur und Umwelt e.V., zum Thema „Natur Natur sein lassen“. Ballenthien bewegte sich bewusst weg vom Thema Baumarten, um den Fokus auf Themen zu legen, die bei der Debatte um den Waldumbau ebenso mitbedacht werden müssten. Sie sprach sich für Mut zu Totholz, zu alten Wäldern und heimischen Baumarten sowie für eine nachhaltige ökologische Forstwirtschaft aus. Dafür sei finanzielle Unterstützung für Waldbesitzende notwendig. In der anschließenden Fragerunde wurde der Bedarf nach stärkerem Austausch zwischen Waldbesitzenden und Waldnaturschutz hervorgehoben.
Am zweiten Tag der Veranstaltung folgte eine Exkursion in das Bayreuther Umland
Weitgehender Konsens konnte in der abschließenden Podiumsdiskussion gefunden werden. Zwar würde eine Kluft zwischen Waldbesitzenden und Waldnaturschutz bestehen, den Zustand der Wälder hätte jedoch keine der beiden Parteien zu verantworten. Vielmehr müsse man der Gesellschaft die Bedeutung des Waldes für das menschliche Überleben verdeutlichen und die Herausforderungen der Wälder durch den Klimawandel an die Öffentlichkeit tragen. Dafür sei jedoch ein klarer Plan nötig, wie der Wald der Zukunft gestaltet werden muss. In Bezug auf einen optimistischen, aber evidenzbasierten und geregelten Umgang mit neuen Baumarten herrschte im Publikum größtenteils Einigung.
Der Weg zum Wald der Zukunft
Am zweiten Tag der Waldkontroversen folgte eine Exkursion ins Bayreuther Umland. Kontrovers diskutiert wurden die Versuchsflächen Schmellenhof der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft bei Schnabelwaid, auf der Baumarten auf ihre Anbaueignung unter den aktuellen und zukünftigen Klimaverhältnissen getestet werden. Zwar seien solche Versuchsflächen eine gute Möglichkeit, Baumarten zu testen, doch kämen Erkenntnisse oft zu spät, während Zwillingsregionen bereits heute Aufschluss über zukünftige Klimabedingungen geben könnten. Es folgte ein Ausflug zum Pflanzgarten Bindlach der Bayerischen Staatsforsten, wo der Frage der Pflanzenverfügbarkeit und -vermehrung nachgegangen wurde. Abschließend wurde eine Forschungsfläche des studentischen Klimawald-Projektes besucht, das von der Stadtförsterei Bayreuth und dem Forum Zukunftswald e.V. unterstützt wird. Dort wird das Potenzial der Naturverjüngung, aber auch die Chancen und Risiken heimischer und alternativer Baumarten untersucht. Hier kamen die Teilnehmenden zu dem Schluss, dass Naturverjüngung zugelassen werden müsse, bedingt durch den Klimawandel dürfe jedoch die Erwartungshaltung nicht zu hoch sein.
Am Ende der intensiven Waldkontroversen ist klar: Der Klimawandel bedroht die Zukunft des Waldes – seine Auswirkungen sind bereits deutlich spürbar und es besteht dringender Handlungsbedarf. Neue Herkünfte heimischer Baumarten und auch nicht-heimische Baumarten können eine Chance darstellen, unsere Wälder widerstandsfähiger gegen Klimaveränderungen zu machen, wobei auch die Risiken, die mit der Einführung fremder Arten in unser Ökosystem verbunden sind, nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Vor allem aber ist es von großer Bedeutung, ein stärkeres Bewusstsein für die Wichtigkeit der Waldfunktionen für die Gesellschaft zu schaffen und die klimabedingten Herausforderungen des Waldes an die Öffentlichkeit zu kommunizieren.
Kontakt:
Benedikt Lieb
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