Verbauen, verbrennen, verrotten? Das „Forum Waldkontroversen“ debattierte über den Hoffnungsträger Holz
Der Name ist Programm. Beim „Forum Waldkontroversen“ am 11. und 12. November 2022 wurde auch in diesem Jahr wieder heftig diskutiert und debattiert, zustimmend gemurmelt, laut Widerrede geleistet, Applaus geklatscht und Ablehnung geerntet. Denn wenn es um den deutschen Wald geht, den Klimaschutz im Allgemeinen und im Speziellen um den „Hoffnungsträger Holz“ – so der Schwerpunkt der diesjährigen Ausgabe – gilt es, sich widerstreitende Positionen anhören und diese auch aushalten zu müssen. Initiiert wird das „Forum Waldkontroversen“ vom Ökologisch Botanischen Garten (ÖBG), dem Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung (BayCEER) und der Campus-Akademie für Weiterbildung der Universität Bayreuth. Zu Gast war ein vielfältiges Publikum bestehend aus Waldbesitzenden, Akteur:innen aus Forst- und Naturschutz, dem Bausektor sowie Wissenschaftler:innen und Studierenden. Rund 120 Gäste fanden sich am 11. November 2022 im SWO Tagungszentrum an der Universität Bayreuth ein, um den Fachvorträgen zu lauschen und sich an der Podiumsdiskussion zu der Titelfrage „Hoffnungsträger Holz – verbauen, verbrennen, verrotten“ zu beteiligen.
Pia Bradler studiert "Global Change Ecology" an der Universität Bayreuth. Bei den "Waldkontroversen" präsentierte sie die aktuellen Zahlen des deutschen Holzmarkts
Rund 1/3 der Fläche Deutschlands besteht aus Wald. Dies scheint zunächst eine gute Nachricht zu sein, welche die beiden Studentinnen Clarissa Schmelzle und Pia Bradler in ihrem Vortrag über den deutschen Holzmarkt im internationalen Kontext zu verkünden hatten. Auf dieser gesamten Fläche befinden sich rund 60 % Nadelwald und 40 % Laubwald. Und doch sind es die kleinen Zahlen, die für viel Aufregung sorgen: Ein globaler Temperaturanstieg von zusätzlich bis zu zwei Grad Celsius (1) – in Oberfranken vermutlich 5° C – ist aufgrund des weiter voranschreitenden Klimawandels in den kommenden Jahren zu erwarten und bringt schon jetzt für die heimischen Baumarten enorme Herausforderungen mit sich. Eine natürliche Anpassung des Waldes an die dann herrschenden Umweltbedingungen sei laut Prof. Dr. Jürgen Bauhus „eher unwahrscheinlich“. Bauhus, Professor für Waldbau an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg, hielt einen Vortrag zum Thema „Climate smart foresty“ und mahnte das Publikum hinsichtlich der derzeitigen Vielzahl fichtendominierter Wälder: „Ich sage, wir können uns das nicht mehr leisten.“ Wichtig sei, das Risiko durch Baumartenvielfalt zu streuen. Weiterhin, so Prof. Bauhus, seien unterschiedliche Systembetrachtungen und Kriterien sowie eine mangelnde Berücksichtigung von Risiken Anlass für viel Verwirrung innerhalb der Debatte rund um Wald- und Naturschutz. Der Wald werde Bauhus zufolge hinsichtlich des Klimaschutzes zwar „nicht die Lösung sein, aber einen entscheidenden Beitrag leisten“.
Doch Holz befindet sich nicht nur in der Debatte hinsichtlich seiner Funktion als Klimaschützer, sondern auch als Konsumgut und vielseitig nutzbarer Werkstoff. Prof. Dr. Klaus Richter, Holzwissenschaftler an der TU München, betonte die Wichtigkeit des Kreislaufdenkens: Das Ende der Nutzung von Produkten solle überdacht werden und damit auch, was es an Nachnutzung, Weiternutzung und Wiedernutzung gäbe. Auch Holz habe „vielfältige Nutzungspfade“, die in der Bioökonomie weithin bekannt seien. Doch damit nicht genug, denn Holz gilt ebenfalls als Baustoff der ersten Stunde. Tobias Götz, Zimmermann und Bauingenieur, hielt seinen Vortrag zum Thema „Bauen mit Holz: Zurück – und in die Zukunft?!“ und erklärte, dass Holz als essenzieller Bestandteil für das Bauwesen derzeit eine Renaissance erlebe. Denn nachdem man es nach den Schäden des 2. Weltkrieges in großem Stil durch Stahl und Beton ersetzt hatte, werden seine vorteilhaften Eigenschaften nun mehr und mehr für die unterschiedlichsten Bauprojekte wiederentdeckt. Holz sei ein nachwachsender Rohstoff, der alle Umweltauflagen erfülle, „stabil und druckfest“ sei, so Götz. Seine klare Botschaft an die Forstwirtschaft und die Waldbesitzenden: Unabhängig davon, welche Art von Holz im Wald produziert und geerntet wird, ob Nadel- oder Laubholz, es ist im Bausektor einsetzbar.
Einen ganz anderen Blick auf die Nutzung und Verwendung von Holz präsentierte Knut Sturm, Leiter des Stadtwaldes Lübeck. Aus seiner Sicht müssten die Wälder älter und artenreicher werden. Vor allem die wachsenden Bäume im Wald wie auch das dort verbleibende Totholz würden den größten Beitrag für die Speicherung von CO2 und damit für den Schutz des Klimas leisten. Der Wald brauche keine große Pflege, ernten müsse und dürfe man nur alte und sehr starke Bäume. Insgesamt sollte deshalb viel weniger Holz im Wald geerntet werden und dieses dann vornehmlich als Säge- und Konstruktionsholz eingesetzt werden. Die Menge an Brennholz solle außerdem minimiert werden, während die Menge des im Wald verbleibenden Totholzes erhöht werden müsse.
In der Podiumsdiskussion, welche sich an die Vorträge anschloss, und die durch Josef Ziegler, den Präsidenten des Bayerischen Waldbesitzerverbandes, ergänzt wurde, ging es abschließend um die Kernfrage, wie mit der Ressource Holz in Zukunft zu verfahren sei. Prof. Dr. Klaus Richter meinte, dass Holz nicht mehr der Energieträger der Wahl sei, wenn sich in Zukunft andere Energieversorgungsmöglichkeiten ergäben. Dennoch gilt Holz derzeit als durchaus wichtiges Mittel für die energetische Versorgung und das, obwohl es eine vergleichsweise geringe Energieausbeute liefert. Dass die energetische Nutzung von Holz im privaten Bereich weiter ausgebaut und gefördert werden solle, fand bei der Mehrheit des Publikums dennoch Zustimmung.
Im Themenblock „Verbauen“ war das Publikum weitgehend der Ansicht, dass die Nutzung von Holz im Bausektor gefördert werden solle. Götz betonte jedoch, dass Holz andere Stoffe nicht ersetzen könne und „kein Samariter“ sei. Dass in den Wäldern mehr Totholz benötigt werde, darüber war sich das Publikum weitgehend einig. Josef Ziegler sagte, er hoffe darauf, dass es in Zukunft einen lebendigen Wald geben werde, der seine Funktionen gut erfüllen könne und dass wir offen sein müssten für extrem stark gemischte Risikostreuung. Was wir für die Zukunft bräuchten, seien laut Ziegler „intensiv gemischte Wälder mit wärmetoleranten Baumarten“. Prof. Richter wünschte sich motivierte Waldbesitzende mit den nötigen Kapazitäten, „die Wälder umzustrukturieren“ und appellierte daran, bessere Beratungsmöglichkeiten zu installieren und mehr Gemeinschaftsprojekte umzusetzen. Knut Sturm wiederum mahnte, dass es wichtig sei, einen guten Blick dafür zu entwickeln, welche Baumarten angesiedelt werden sollten und wie lange dies getestet werden solle. Er sei im Allgemeinen optimistischer gestimmt, was den zukünftigen Einsatz heimischer Baumarten betreffe.
Nach den Vorträgen und der Podiumsdiskussion am Freitag bot die ganztägige Exkursion am Samstag Einblicke in die Holzverarbeitung und den Waldumbau in der Region. Als erste Station diente das Sägewerk der Firma GELO Timber GmbH im Energiepark Wunsiedel. Hier konnte der Weg des Holzes vom Stamm über die Entrindung bis hin zum fertigen Leistenprodukt eindrucksvoll verfolgt werden. GELO verarbeitet in seinem Sägewerk in Wunsiedel vor allem Fichten-Schwachholz aus der Region. Nach der Führung ging es für die Exkursionsteilnehmenden zur nächsten Station, einem Privatwald in der Nähe von Pulst. Nach starkem Käferbefall in dem ehemals reinen Fichtenbestand war es hier sukzessive zur kompletten Entwaldung der Fläche gekommen. Aufgrund hohen Verbisses durch Rehe und der dichten Vergrasung der Kahlfläche ist eine Naturverjüngung tendenziell gering – entsprechend diskutierten die Teilnehmenden verschiedene Vorschläge, wie mit der Fläche in Zukunft verfahren werden könnte.
Am Exkursionstag ging es für die Teilnehmenden unter anderem nach Wunsiedel und in den Stadtwald Kulmbach
Danach fuhr die Gruppe weiter in den Stadtwald Kulmbach bei Marktschorgast. Försterin Carmen Hombach zeigte Baumbestände, in denen mit verschiedenen Vorbaustadien aktiver Waldumbau betrieben wird. Da es sich bei dem Stadtwald um ein Wasserschutzgebiet handelt, ist es besonders wichtig, größere Kahlflächen zu vermeiden. Deshalb wird verstärkt darauf geachtet, das Klimawandelrisiko durch Umbau der Fichtenmonokulturen zu einem Mischwald hin zu streuen. Die Umbaumaßnahmen verfolgen somit das Ziel, den Nadelholzanteil auf ein Maximum von 50 % zu reduzieren.
Exkursionen, Vorträge und Diskussionen: Das „Forum Waldkontroversen“ 2022 hat gezeigt, dass die Debatte rund um die Zukunft des Waldes sowie die sinnvollste Umgangs- und Nutzungsart mit seiner wertvollen Ressource Holz eine Vielzahl an Meinungen, Perspektiven und Konfliktpotenzial bietet. Eines ist jedoch klar: Was heute die besten Maßnahmen gewesen sein werden, um einen zukünftig stabilen Wald mit ausreichend Holzvorräten zu ermöglichen, werden wir erst in ein paar Jahrzehnten beurteilen können.
(1) Krautwig, Thomas; Krieger, Anja: Welche Teile des Klimasystems drohen bei über 2 Grad zu kippen? (17.01.2022), URL: https://helmholtz-klima.de/aktuelles/welche-teile-des-klimasystems-drohen-bei-ueber-2-grad-zu-kippen (Stand: 28.11.2022).
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Fotos: Jens Wagner und Marianne Lauerer